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Jochen Stelzer
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Wie ich 1981 zweimal ins Fernsehen kam

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Wie ich 1981 zweimal ins Fernsehen kam

Es begann alles damit, dass ein befreundeter Jesuitenpater mich fragte, ob ich zum „Jahr der Behinderten" eine selbstgeschriebene Predigt in einem ZDF-Gottesdienst halten wolle. Ich und predigen! Eine tollkühne Anfrage. Nach einigem nachdenklichen Zögern sagte ich dennoch zu, die Aufgabe reizte mich. Und wann kann ich schon mal im Fernsehen auftreten? Ich schickte also einen Predigtentwurf ein, der wohlwollend die ersten Hürden nahm. (Auch so ein TV-Gottesdienst ist „nur Fernsehen" und läuft nach einem Drehbuch ab.)
Zusagen und kommen wollen ist eins, fahren und ankommen ein anderes. Als Rollstuhlfahrer hängt man ohne fremde Hilfe ganz schön zwischen mehreren Stühlen. Eine beherzte Anfrage bei unserem „Verein zur Förderung und Betreuung von spastisch Gelähmten und anderen Körperbehinderten" schaffte beruhigende Klarheit und ließ mich erleichtert an meine Fernsehkarriere denken. Zur Begleitung stellte der Verein Bernd ab, ein dufter ZDL' der schon mehrere Dutzend Kilometer unfallfrei meinen Rolli „durch die Steppe" schob. Eine wesentliche Hürde war erfolgreich genommen.
Zur Zeit des Christkindelsmarkt 1980 fand ein erstes Kontaktgespräch mit allen Beteiligten in der Pfarrei St. Bonifatius in Nürnberg statt; ich sollte auch kommen.
Da ich wenig dem Zufall überlasse, er ist so unzuverlässig, meldete ich meine Fahrt bei der Bahnhofspolizei des HBf Essen an. (Gleiches galt für Nürnberg.) Ich sah nicht ein, zweite Klasse zu bezahlen und dafür im Gepäckwagen durch die Gegend geschaukelt zu werden.
Auf dem Bahnsteig angekommen, meldeten wir uns beim Fahrdienstleiter, dass ist der mit der roten Kappe. Nach kurzer Zeit stand er, ein Untergebener, der mit der blauen Kappe, und zwei Bahnhofspolizisten bei uns. Ich kam mir vor wie ein hohes Tier, das feierlich verabschiedet wird. Mit vereinten Kräften trugen sie mich ins Abteil und einer Bahnfahrt den Rhein entlang, von der aufgehenden Sonne begleitet, stand nichts mehr im Wege.
Das Kennenlernen, die Gespräche und Planungen in Nürnberg verliefen unkompliziert und ließen nicht den gigantischen Aufwand einer Livesendung ahnen. Es blieb sogar Zeit, mit Bernd und einem Nürnberger Bekannten das weinselige Nachtleben kennenzulernen. Einziger Wermutstropfen: Der Bischof von Limburg sah es nicht gern, dass ich als Laie predigte.
Ein Kunstgriff brachte die Situation ins Lot. Aus meiner Predigt erarbeiteten wir eine Dialogpredigt mit dem Pfarrer. Da wir im Pfarrhaus übernachteten, lernte ich die bergsteigerischen Qualitäten „meines" ZDL's kennen, mit dem ich eine „Rollstuhlerstbesteigung der südlichen Pfarrhaustreppe" erfolgreich abschloss.
Im Januar 1981 fuhren Bernd und ich dann zum Livegottesdienst nach Nürnberg. Es verlief alles in bekannten Geleisen, wir kannten es schon von unserem ersten Trip. Im verschneiten Nürnberg begann's Freitag/Samstag mit Gesprächen, Stellproben und dem Aufbau der Elektronik. Alle Beteiligten standen „Text bei Fuß" und wir probten den Gottesdienst mehrfach im Detail1 es ging nach Stoppuhr und Drehbuch. Der Regisseur feilte an jeder Einstellung.
Am Sonntag den 25. 1. um 9.00 Uhr leuchtete dann das Rotlicht für die Sendung auf. Pfarrer Förster und ich brachten unsere Dialogpredigt „Und er heilte alle" recht gut über den Sender.

Der olympische Satz: Dabei sein ist alles, galt auch für einen weiteren Auftritt im ZDF. Nach längerer Zeit traf ich Reinhard Appel vom ZDF zufällig wieder, der mit mir schon einmal eine Livesendung wagte. Wenige Wochen später stand fest, dass ich am 21. 5.1981 zur Livesendung „Wohin steuert die Gesellschaft diesen Staat?" eingeladen sei. Ein Kamingespräch aus der Villa Hammerschmidt, an der neben dem Bundespräsidenten Karl Carstens sieben „Menschen des öffentlichen Lebens" teilnehmen sollten. Anlas zu dieser Sendung war der Verfassungstag der Bundesrepublik. Es verstand sich fast von selbst, dass das unschlagbare Team Bernd und ich wieder „zuschlagen" würden.
Das ZDF schickte extra einen Wagen nach Marl, um Bernd und mich abzuholen. Auf beim Erklimmen der Treppe hinauf zum Kaminzimmer von Herrn Herrhausen, Kosten des ZDF „residierten" wir im „Steigenberger", direkt am „Herzmuskel der Nation", gegenüber dem Bundeskanzleramt. Abends fuhr uns der Wagen zur Villa Hammerschmidt. Auch hier zeigte Bernd gipfelstürmende Qualitäten, die Deutsche Bank, stützend und leicht schiebend, wie sich das für einen „Banker" gehört, unterstützt wurden. - Die Fernsehdiskussion verlief bescheiden, da nach einem guten Einstieg ins Thema Verfassung und Bürger, Jugendprotest und Bürgerinitiativen, die vereinbarten Diskussionsregeln nur bedingt zur Anwendung kamen. In mir stieg der Frust auf, da wir am Thema vorbei diskutierten. Der DDR-Schriftsteller Kunert meinte nach der Sendung treffend zu mir, dass wir uns nicht mit Ruhm bekleckert hätten. Trotz Frust war's ein einmaliges Erlebnis; wann komme ich schon mal zum Bundespräsidenten? Dies Bonner Gastspiel endete für Bernd, der alles im Bild dokumentierte, und für mich mit einer guten Suppe, die wir mit dem Präsidentensilber löffelten. Im Verlauf dieser nächtlichen Runde lernten wir Veronika Carstens kennen, mit der Bernd und ich uns gut eine 3/4 Stunde angeregt unterhielten.
Und dies für alle, die mich kennen, zur Beruhigung zum Schluss: Ich werde nie Bundespräsident, solange die Villa Hammerschmidt nicht rollstuhlgerecht umgebaut wird!

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