Schüler befragen Bürger zur Kunst in Marl - Homepage

Jochen Stelzer
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Schüler befragen Bürger zur Kunst in Marl

Archiv > 1991 - 2000 > 1997
Marl, den 12.5.97

Betr.: Bitte um Veröffentlichung, Leserbrief!
Zeitungs-Treff vom 12.5.1997; „Schüler befragten Bürger zu Kunst in Marl“

Es ist für die Mehrzahl der befragten Marler Bürger anscheinend immer noch eine unbeliebte Last, sich mit der modernen, bildenden Kunst auseinanderzusetzen. Der Artikel von Philipp Sattler und Dirk Glücksberg vom ASG belegt das.
Kunst auf den Bereich Skulpturen zu reduzieren scheint für die Marler ein beliebtes Spiel zu sein. Sie vergessen dabei sehr schnell die vielfältigen Angebote in unserer Stadt: von der sog. Subkultur im Schacht 8 und der Bunkerinitiative, über die Chöre, die Musikschule, den Marlkasten, das TM, die „insel“, die phantastische Philharmonia Hungarika, Laienspielgruppen, Galerien, den Glaskasten usw.
Kunst ist also ein weites Feld, das sich jeder selbst erschließen und entdecken muß. Dies triff auch auf die bildende Kunst zu. Sie muß die Gesellschaft, mit ihren Brüchen und Verwerfungen spiegeln, Sie ist künstlerischer Ausdruck und Reflexion einer Epoche. Sie steht im Spannungsfeld von rasanten gesellschaftlichen, technischen und sozialen Veränderungen. Sie nutzt die Materialien dieser Zeit, eignet sie sich an und konfrontiert den Betrachter mit einer anderen Art von Ästhetik. Nicht das glatte, glänzende, harmonische „verklärende“ wird zum Stilmittel erhoben, sondern das „alltägliche“, rostende, metallische, die reine Form, losgelöst vom Äußeren. Alles ist künstlerischer Ausdruck unserer Zeit, in der Funktionalität dominiert und das benutzte Material selbst den Zeitgeist spiegelt. - All das soll den Betrachter zur Auseinandersetzung auffordern. Moderne bildende Kunst ist eine „aktive Kunst“, die den Betrachter aus der Reserve locken will, ihn zur Stellungnahme „zwingt“, nicht bloßes Betrachten, sondern sich Stellen, sich definieren zum Objekt, aufkommende Emotionen zulassen und sie hinterfragen.
In Marl findet diese Konfrontation nicht im geschlossenen Museumsbereich statt, sozusagen für eine interessierte Elite, wie schnell und leichtfertig vorgeworfen wird, sondern im öffentlichen Raum. Die Skulpturen stehen in der Stadt, erreichen mit ihrer Wirkung den Bürger täglich. Sie unterliegen der gleichen Erosion wie die Stadt und wie die Bürger.
Die Skulpturen sind Teil des täglich erlebten Stadtbildes, und das erzeugt eine größere bleibende Wirkung, als ein einmaliger Museumsbesuch erreichen kann. Moderne bildende Kunst geht zu den Menschen und verkriecht sich nicht hinter dicken Museumsfassaden!
Das „Nein Danke“ der stichpunktartigen Befragung ist daher für mich nur auf den ersten Blick ein negatives Votum für das Marler Skulpturenmuseum. Beim näheren Durchdenken komme ich zur Erkenntnis, daß die Befragten sehr gefühlsbetont auf die Skulpturen reagieren und das spiegelt zwei wesentliche Aspekte das Konzeptes der Marler Skulpturensammlung: 1) Nur durch die tägliche Konfrontation mit den Objekten, die vom Anschauen bis zum Berühren reichen kann, wächst eine emotionale Beziehung, entsteht Auseinandersetzung, ...die bei der Mehrheit der Befragten Gefühle wie Ablehnung, Unverständnis, Aggressivität, Angst, Sehnsucht nach Harmonie erzeugen. 2) Die Skulpturen stehen in der Öffentlichkeit, für jedermann jederzeit zugänglich und das ist Ausdruck eines demokratischen Kunstverständnisses.
Eine abschließende Anmerkung: Das finanzielle Engagement der Stadt bei der Anschaffung von Skulpturen ist auf ein verschwindendes Minimum geschrumpft. Nur durch großzügige Spenden, durch zeitweise Überlassungen oder Dauerleihgaben erweiterte sich in den vergangenen Jahren der Museumsbestand.
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