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Jochen Stelzer
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Globalisierung auf höchstem Niveau!

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Jochen Stelzer                   Marl, den 4. August 2002
Bebelstraße 14 a
45770 Marl

An die Lokalredaktionen
Marler Zeitung
WAZ

Betrifft: Bitte um Veröffentlichung!

Leserbrief zur CDU-Stellungnahme" Cross-Border-Leasing für Schulsanierung nutzen"

Globalisierung auf höchstem Niveau!

Amerikanische Steuerzahler sollen nach Vorstellungen der Marler CDU unsere Schulen sanieren. Amerikanische Steuerschlupflöcher, von international operierenden Banken, Kanzleien und Gutachtern geschickt zur eigenen Gewinnmaximierung genutzt, sind die Lösung für unsere finanziellen Probleme. Das ist Globalisierung auf höchstem Niveau!

Die Marler CDU "verknüpft" CBL geschickt mit den notwendigen Renovierungen öffentlicher Gebäude. Sie verschweigt aber, wahrscheinlich bewusst, die damit verbundenen Risiken. Cross-Border-Leasing erscheint als wundersame Geldvermehrung ohne echte Gegenleistung.

Ein Blick auf Probleme und Risiken zeigt folgendes:

CBL-Geschäfte laufen auf ca. 100 Jahre, mit einer Rückkaufoption nach 27 oder 29 Jahren. Rechnet man den Barwertvorteil auf diesen Zeitraum hoch, so sind die zu erwartenden 3 bis 4 Millionen EUR kein sehr prickelnder Gewinn. Außerdem gibt es keinen wirklichen "Investor", der in das Marler Kanalnetz investiert, sondern nur eine Briefkastenfirma im Steuerparadies der Caymann-Inseln, die ausschließlich an amerikanischen Steuervorteilen interessierte ist.

Langfristig betrachtet ist es kein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Die amerikanischen Geldanleger profitieren jahrzehntelang, die Stadt Marl nur ein einziges Mal durch den ausgeschütteten Barwertvorteil.

Der "Investor", ansonsten als Heilsbringer gelobt, bleibt stets anonym. Diese Anonymität wird ihm auch vertraglich zugesichert. Das muss einen Grund haben! Mit diesem Verfahren schützt er sich gegenüber den amerikanischen Finanzbehörden. Zudem darf man ruhig die Frage stellen, ob die Kombination von Anonymität und Caymann-Inseln eventuell Geldwaschaktionen begünstigen.

Niemand kann heute voraussagen, wie sich das amerikanische Steuerrecht in der Zukunft entwickeln wird. - die oberste amerikanische Steuerbehörde ist am 11. März 1999 im Revenue Ruling 99/14 auf die immer weiter um sich greifenden Leasingverträge mit ausländischen Städten eingegangen. In dieser Verfügung wird klargemacht, dass CBL Scheingeschäfte darstellen, die keinen wirtschaftlichen Sinn haben und allein der Steuergestaltung dienen; ihnen sei deshalb die steuerliche Anerkennung zu versagen.

Welche Regelungen gibt es im Falle der Insolvenz der amerikanischen Geldanleger? Wird dann das "wirtschaftliche Eigentum" Bestandteile der Insolvenzmasse? Bilanzmanipulationen nehmen leider in der amerikanischen Wirtschaft zu.

Der ca. 800 Seiten umfassende Leasingvertrag wird nur in englischer Sprache abgefasst. Eine deutschsprachige, verkürzte Transaktionsbeschreibung soll die Grundlage für einen möglichen Ratsbeschluss sein. Das heißt: ohne Kenntnis des tatsächlichen Vertragswerkes sollen Ratsmitglieder eine weitreichende Entscheidung rechtsverbindlich treffen.

Bestandteil des Leasingvertrages ist u. a. ein sogenanntes Pflichtenheft. In ihm wird der Zustand des Kanalnetzes präzise beschrieben. Das Kanalnetz muss in diesem beschriebenen Zustand in vollem Umfang funktionstüchtig gehalten werden. Rein rechtlich kann eine längere Betriebsunterbrechung oder die Undichtigkeit eines großen Kanals seitens des "Investors" zur Kündigung des Vertrages führen.

Das Volumen, der Wert des Kanalnetzes darf nicht reduziert werden. Das kann unter anderem bedeuten, dass die Aufgabe von Bestandteilen des Kanalnetzes zu Schadensersatzforderungen führen könnte. Wer weiß, wie sich zukünftig die Technik der Abwasserbehandlung entwickeln wird? Beispiel: Veränderungen in der Abwasserbehandlung (verstärkte Regenwasserversickerung) führt eventuell zur Reduzierung der Kanäle; Aufgabe von ganzen Kanalstrecken durch Veränderungen der Wohnbebauung zum Beispiel durch Aufgabe von Siedlungen. Unterm Strich bedeutet dies: positiv gewollte technische und/oder ökologische Veränderungen sind nur dann möglich, wenn der einmal zum Vertragsbeginn definierte Wert des Kanalnetzes nicht geschmälert wird, Reduzierungen des Anlagenwertes führen zu Schadensersatzforderungen.

Die Nutzung des Barwertvorteils für betriebsfremde Zwecke (Schulsanierung) ist zumindest noch nicht endgültig durch ein Verwaltungsgericht geklärt. (Eigentlich müsste ein Barwertvorteil den Gebührenzahlern direkt zugute kommen.)

Das selbst ein Nichtzustandekommen eines Leasingvertrages mit enormen Kosten verbunden sein kann, belegt das Beispiel von Aachen. Nach einjährigen Verhandlungen kam es zu keinem Leasingvertrag und Aachen musste ca. 19 Millionen DM an Beratung- und Honorarkosten an die beteiligten Banken, Kanzleien und Gutachter bezahlen.

Ich bleibe bei meiner Meinung: ein Cross-Border-Leasing-Geschäft ist mit Risiken verbunden, die ich nicht mittragen werde. Die CDU-Praline "Schulsanierung" ist mit Senf gefüllt und das schmeckt mir nicht.


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